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Kultur – und alle so yeah

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Die von Tanja Praske initiierte Blogparade #KultDef widmet sich noch bis Ende Juni Definitionsansätzen des Kulturellen. Mit dem Beitrag widme ich mich der Kultur als Werkzeug des Hegemonialen.

„Kultur ist für mich … “

Natürlich fallen auch mir eine Reihe schöner Dinge ein, mit denen ich die Liste endlos ergänzen könnte. Das ungefähr auf einer Skala von Speise-Eis bis zur Kultur des gepflegten Katzen-Amüsements. Allein fällt mir genau die Vervollständigung einer Liste schwer, denn ich bin professionell deformiert. Man könnte es auch pessimistisch nennen. Diese Deformation bringt es mit sich, dass ich mich von einem naiven Kulturbegriff verabschiedet habe. Was aber meine ich mit dem „naiven Kulturbegriff“? Hauptsächlich bezeichne ich damit einen Zugang, der mit „Kultur“ automatisch den privat bevorzugten Konsum assoziiert. Das schließt Theater-, Museumsbesuche, Fernseh-Vorlieben und Kulinarik ein.

Für einen aufgeklärten Kulturbegriff

Ein reflexiver oder aufgeklärter Kulturbegriff aber, hätte sich mindestens einer weiteren Ebene zu widmen. Hier müsste er nach den Rahmen-, Entstehungs- und Existenzbedingungen von „Kultur“ fragen.

Im Rahmen meiner Dissertation habe ich das kulturelle Feld als hart umkämpftes Territorium erfahren und zum Teil erforscht. Besonders  die Nationalstaatenbildung förderte die Notwendigkeit, eine auf die Nation hinkonzipierte kulturelle Identität installieren zu müssen. In Bezug auf das Deutsche verfolgte man im 19. und im frühe 20. Jahrhundert Strategien der Inklusion und Exklusion. Diese Revierkämpfe um die „richtige“ Kultur, die „richtige“ Form ihrer Ausübung und Anwendung sind akzeptabel, solange das System entsprechenden Verhandlungsspielraum lässt. Dies impliziert entsprechende politische Rahmenbedingungen, sowie eine kritische Öffentlichkeit.

In der historischen Rückschau allerdings offenbart sich, dass sich ein Grundmodus der deutschsprachigen Kulturkritik während der NS-Diktatur politisch realisieren, und somit zu einer Art Leitkultur verfestigen konnte. Das Interessante ist, dass diese verordnete Leitkultur z.B. in der Kunst primär durch exklusive, denn durch produktive Verfahren wirksam wurde. In den neuen Medien hingegen, dem Film beispielsweise, entfaltete sie höchste Wirksamkeit.

Kulturkämpfe und Bilderstürme

Generell gesehen sind Kulturkämpfe keine moderne Erfindung. Es handelt sich um ein globales und überzeitliches Phänomen. Auch das Altertum kannte beispielsweise Bilderstürme, die die Erinnerung an politische Vorgänger im Sinne einer damnatio memoriae ausradieren sollte. Prominent ist der Fall der Pharaonin Hatschepsut, die etwa zwischen 1479 und  1458 v. Chr. regierte. Antlitz und Namen wurden im Nachhinein ausgelöscht.

In Byzanz ging es während des zwei Jahrhunderte andauernden Bilderstreits (8./9. Jh. n. Chr.) um die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit Kultbilder sowie ihre Verehrung überhaupt legitim seien. Die Ikonodulen (Bilderverehrer) standen hier den Ikonoklasten (Bilderzerstörer) gegenüber.

Während der Reformation richteten sich bilderstürmerische Aktivitäten gegen die nun abgelehnten Relikte eines Kultes, mit dem man sich nicht mehr identifizieren wollte. Die Abbildung zeigt eine zeitgenössische Darstellung des Zürcher Bildersturms von 1527. Die katholische Gegenreformation zerstörte im Anschluss ebenfalls vom Geist einer Neuausrichtung beseelt, vorreformatorische Objekte.

Der zweite große europäische Ikonoklasmus ereignete sich in Gestalt der Französischen Revolution. Er richtete sich gegen Zeugnisse einer feudalen und religiösen Vergangenheit. Die Reste und Trümmer wanderten in dafür vorgesehene Lager und wurden archiviert – das war die Geburtsstunde des Museums.

Im Mittelalter hatte das christliche Abendland, als supranationale Wertegemeinschaft funktioniert. Als solche wandte sie sich gegen den muslimischen Orient. Dieser Diskurs wird aktuell von Pegida sowie den Neuen Rechten – ebenfalls im supranationalen, weil europäischen Kontext –wiederbelebt. Auch hier steht ein hegemonialer, Deutungshoheit beanspruchender Gestus, hinter der Bewegung.

Ihren Antipoden, und ihr Feindbild finden sie im Islamismus, der ikonoklastisch in zwei Zeitachsen aktiv ist und sich sowohl gegen die von der westlichen Moderne verkörperte Gegenwart, als auch gegen vor-islamische Kulturen richtet. Von Bamiyan bis Timbuktu reichen inzwischen die Zeugnisse dieser aktuellen Bilderstürme.

Kultur als Mittel sozialer Distinktion

Auch diesseits des weltpolitischen Feldes äußert sich die normierende Funktion des Kulturellen. Dieses Phänomen konzentriert der Bourdieu’sche Begriff des “kulturellen Kapitals”[1]. Kultur ist demgemäß ein Mittel sozialer Distinktion. Wichtig sind die Umwandlungsschritte, die  Bourdieu skizziert. Es folgt einer Übertragungslogik. Demnach wird das ökonomische zu kulturellem und schließlich zu symbolischem Kapital veredelt.

Insbesondere das Hochpreissegment des Kunstmarktes basiert exakt auf dieser Kette an Umwertungsmechanismen. Sammler_innen investieren in teure Kunst, akquirieren somit kulturelles Kapital. Als Mäzen_innen können sie somit Einfluss und Deutungsmacht innerhalb des Kunstsystems generieren, zum Beispiel im institutionellen Rahmen über Stiftungen, Schenkungen, als Mitglieder in Boards usw.

Vom verdorbenen Genuss

Grundsätzlich also handelt es sich bei der Kultur um ein Machtdispositiv. Auch Gegenkulturen forcieren exkulpierende Maßnahmen und fungieren grundsätzlich gemäß dieses Schemas. Den Kulturgenuss schlussendlich verderben muss die Tatsache, dass die große Masse der Produzent_innen unterfinanziert, wenn nicht prekär leben und arbeiten.

Zitierhinweis: Maria Männig, „Kultur – und alle so yeah”, in: ART[in]CRISIS, 13. Juni 2015. URL: http://artincrisis.hypotheses.org/943.

[1] Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), »Soziale Ungleichheiten« (Soziale Welt Sonderband 2), Göttingen 1983, S. 183-198, URL: http://unirot.blogsport.de/images/bourdieukapital.pdf (zuletzt besucht 13.06.2015).

Abbildung: Bildersturm in Zürich 1524 (Wikipedia Commons).


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